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Staatliche Fachschule für Lebensmitteltechnik Kulmbach
Interaktiv
#1

Temperaturführung bei der Kuttertechnologie

in Diskussionen 03.02.2009 14:06
von Marc Schmid | 1 Beitrag | 1 Punkte
Hallo zusammen.
Viele (mindest die, die fleissig dem Eberle - Unterricht gefolgt sind) kennen die ewige Diskusion über die Temperaturführung im Kutter. Ich bin "Draussen" nun auch auf diese Diskusion gestossen, bzw. die feste Meinung, dass ein Kutterprogramm temperaturgeführt sein muss, und Schwankungen im Bereich von 0,3 bis 1 °C zu einem "überblitzten" Brät führen.
Ich bin aus folgenden Gründen persönlich nicht davon überzeugt:

1. Die Herren aus der Maschienenbranche achten bei der Herstellung ihrer Präzisionsmaschienen auf viels, jedoch an der Qualität der Temperaturfühler wird meist etwas gespaart.
2. Die Ausgangstemperatur der Rohmaterialien ist nicht immer gleich. Z.B. durch langes Herumstehen vor dem Kutter bei Pausen, oder es wird im Notfall Fleisch aus der Zerlegung verwendet, welches noch nicht kalt genug ist undundundundun.
3. Aus persönlicher Erfahrung weiss ich, dass bei 2 Kuttern, welche ca. 4m auseinander stehen, an der Maschiene eine völlig andere Umgebungstemperatur herrscht.
4. Aus einem Durchlaufkutter kommt auch einwandfreies Brät heraus. Hier wird nicht so viel auf die Temperaturführung geachtet (Beim Ausgangsmaterial vieleicht schon). Aber es wird hier nicht so hoch bewertet wie beim Kutter.

Dieses Thema würde ich hier gerne auch zur Diskusion freigeben. Auch als eine Diskussionsgrundlage in den Betrieben!

Viel Spass beim Tippseln

Marc Schmid
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#2

Re: Temperaturführung bei der Kuttertechnologie

in Diskussionen 10.02.2009 10:16
von RaithTo | 14 Beiträge | 9 Punkte
Diese Meinung bekommt man halt schecht aus Meisterköpfen raus.
Ich arbeite geade an einem Projekt wo ich oft Ausgangsmaterial mit Unterschiedlicher temp bekomme. Und ich gehe nach Zeit im Schnellgang und nicht auf Temperatur.
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#3

Re: Temperaturführung bei der Kuttertechnologie

in Diskussionen 10.02.2009 21:35
von Thomas Eberle | 40 Beiträge | 21 Punkte
Spinat hat viel Eisen – einmal als Theorie aufgestellt, von allen nachgeplappert, und schon werden 40 Jahre lang alle Kleinkinder mit Spinat drangsaliert, anstelle mit lecker Roastbeef – was wirklich ein vorzüglicher Eisenlieferant ist. Auch nach dem der Fehler bei der Berechnung des Eisengehaltes durch alle Medien ging, ist in vielen Köpfen noch immer der Zusammenhang Spinat und Eisen fest implementiert.

Fleischerzeugnisse
Auch bei der Herstellung von Fleischerzeugnissen kennen wir dieses Phänomen, dass sich eine Theorie oder Meinung über die Jahrzehnte durch die ständige Wiederholung verselbstständigte, ohne das je ein wissenschaftlicher Nachweis geführt wurde. Fast jeder Lehrling, Meister in spe, angehende Techniker (auch meine früheren Studenten) und Akademiker haben z.B. gelernt, Phosphat lässt sich durch Citrate ersetzen – man muss nur vorsichtiger Kuttern bzw. den Kochschinken schonender pasteurisieren. Durch die neue Ehrlichkeit bei der Verwendung der Zutat Phosphat – als Ergebnis neuer Untersuchungsmethoden – wurde die Citrattheorie (Ersatz von Phosphat durch andere Salze schwacher Säuren) in der Praxis hundertfach bei konventionellen Betrieben als nicht machbar nachgewiesen. Die Qualitätseinbußen sind so stark, dass diese Produkte i.d.R. nicht mehr vermarktbar sind.
Was mich wundert, nur einige Bioanbieter (SB) scheinen das Problem gelöst zu haben. Kein Phosphat – aber trotzdem einen Biss und Glanz wie bei Phosphatware. Gehen wir einfach davon aus, dass diese Anbieter das bisher nicht machbare geschafft haben. Vielleicht haben diese Produzenten die bisher nur labortechnisch mögliche Konservierung des Warmfleischeffektes bei Schweinen in die Praxis umgesetzt? Meinen Respekt. Leider ist dieses innovative Verfahren soooooo geheim, dass ich mit diesem technologischen Highlight meinen Unterricht nicht bereichern kann. Auch die Metzgereien, die bei Demeter oder Bioland organisiert sind, kennen dieses geheime Verfahren nicht und müssen durch ihre „schlechtere“ Bioqualität Umsatzrückgänge hinnehmen. Wohlgemerkt, ich gehe davon aus, dass alle Anbieter von Bioqualität das Verbotsprinzip hinsichtlich der Zugabe von Phosphat bei Fleischerzeugnissen strikt einhalten.

Theorie und Praxis
Sorry, dass ich etwas abgeschweift bin, aber die Citrattheorie ist für mich das klassische Beispiel, wie sich eine Lehrmeinung über die Jahrzehnte heraus kristallisiert hat, heute zum großen Teil noch gelehrt wird, aber – wie die Praxis bewiesen hat – definitiv nicht stimmt oder nicht umsetzbar ist (Ausnahmen – siehe oben). Genauso verhält es sich nach meiner Meinung mit vielen Aussagen zum Kutterprozess. Warum?

Alle verarbeitungs- und verfahrenstechnische Prozesse der Fleischbranche fristen hinsichtlich der naturwissenschaftlichen Durchdringung ein Mauerblümchendasein. Während „Heerscharen“ von Wissenschaftlern die biochemischen und mikrobiologischen Grundlagen bei der Herstellung (und Überwachung!!!!) von Fleisch und Fleischerzeugnissen untersuchten bzw. untersuchen, und dafür auch Forschungsgelder zur Verfügung gestellt wurden und werden, sieht das auf der technischen Seite vollkommen anders aus. Naturwissenschaftliche/mathematische Untersuchungen der Verarbeitungsprozesse (Grundlagenforschung) als Grundlage für die Modellierung/Beschreibung von unseren Prozessen (angewandte Forschung) und den daraus resultierenden Möglichkeiten zukünftiger Steuerungskonzepte (Anwendungstechnik) gibt es leider nur in Ansätzen.

Ohne diese Grundlagen können wir aber nur unsere empirischen Erfahrungen nutzen, um Prozesse reproduzierbar zu gestalten. Eine dieser empirischen Erfahrunge ist der Temperaturverlauf beim Kuttern. Mit dem Einzug dieser Zerkleinerungstechnologie war die Temperatur die einzige praktikable Möglichkeit, den Eintrag an mechanischer Energie indirekt über den Temperaturverlauf einfach abzubilden – und auch einfach zu überwachen. Schwankungen in der Produktqualität durch unterschiedliche Ausgangsparameter und deren Einfluss auf die Temperatur haben damals noch nicht gestört – der Kunde war durch die Anforderungen des LEH noch nicht so „verwöhnt“.

Zusätzliche Theorien um diese 12 °C Aussage führten zu einer Verinnerlichung, dass jedwedes in Frage stellen auch noch heute einem Tabubruch gleichkommt. Ich erinnere nur an die angebliche punktuelle Erwärmung auf 70 °C, die zu einer Denaturierung der funktionellen Proteine führt. Diesen Quatsch habe ich mit bestem Wissen und Gewissen auch gelehrt. Veröffentlichungen in der Fleischwirtschaft zeigten Abbildungen des Temperaturverlaufs, die diese Aussage unterstützten. Erst eine sehr umfangreiche Projektarbeit für die Fa. Wolf (12 Versuchstage, pro Versuchstag 6 Chargen a 30 kg, über 2 t verarbeitete Ware!) ließen uns an dieser Denaturierungstheorie massiv zweifeln.
Hierbei ging es um Einflüsse des Misch- und kontinuierlichen Feinzerkleinerungsprozesses auf die Endqualität. Was keinen Einfluss hatte, war die Temperatur des gemischten Standards. Wir schütteten mit frischem Scherbeneis; kaltem, handwarmen und heißem Leitungswasser. Egal, bei Festigkeit und gravimetrischen Messungen kein Unterschied, bei Triotests im Halbdunkeln (die wärmere Charge war etwas heller) wurde die abweichende Probe nicht erkannt. Nur der a* - Wert fiel bei steigender Temperatur ab. Wurde dagegen der Eintrag der mechanischen Energie durch Änderungen im Mischprozess oder einem geringeren Spaltmaß geändert, waren die Unterschiede sofort messbar. Wohlgemerkt, wir hatten Brätendtemperaturen bis zu 35° C! Hätte ja alles denaturiert sein müssen? Übrigens, wir haben auch Grenzrezepturen (8,5% BEFFE; FE 11%; E/W 1 : 5,5; 0,5 g Diphosphat/kg) überprüft – dito. Ich wurde mit diesen Ergebnissen in meiner Lehrmeinung bestätigt, den Eintrag an mechanischer Energie nicht über die Temperatur, sondern über andere Parameter zu standardisieren, massiv unterstützt.
Seit diesem Moment stellte ich auch die Denaturierungstheorie komplett in Frage. Die Untersuchungen 2005 – 2007 von Dr. Hammer u.a. (BAFF, heute MRI) zeigten dann, dass wir beim Kuttern von Brühwurst zwischen Messer und Brät nur sehr geringe Temperaturunterschiede haben (ca. 5 °C). Ab diesem Moment strich ich die Denaturierung von Proteinen durch Feinstzerkleinerungsmaschinen aus der Unterrichtskonzeption. Für mich ist diese Theorie heute nur noch Quatsch – Ehemalige wissen was ich damit meine.

Beim gegenwärtigen Einfahren unseres neuen 130 l Swoppers werden diese Erkenntnisse massiv untermauert. Wir schauen gar nicht mehr auf die Temperatur, sondern auf Schüsselumdrehungsgeschwindigkeit, Messerdrehzahl und Zeit.

Da wir hier nur noch unser „Programm“ abfahren, machen sich Temperaturschwankungen unserer Rohstoffe oder der zugegeben Schüttung (Wasser kann ich beim Kuttern genauso einsetzen wie bei kontinuierlichen Zerkleinerungstechniken) nicht mehr bemerkbar. Auch eine andere alte Lehrmeinung wird mit diesen Versuchen ad absurdum geführt. Von wegen, mindestens 30% Füllungsgrad, sonst funktioniert das nicht mit der Brühwursttechnologie. Wenn ich die stärkeren Temperaturschwankungen bei geringerem Füllungsgrad in meiner Kuttertechnologie nicht berücksichtige, kann diese Aussage stimmen. Schaut man aber nur auf Schüsselumdrehungsgeschwindigkeit, Messerdrehzahl und Zeit kommt man weit unter die 30 %. Unsere jetzige Standardcharge beträgt nur 15,4 % des Schüsselvolumens – und absolut reproduzierbar im Gesamtbrätverfahren. Der kleinste Füllungsgrad betrug 7,7 % - ohne Probleme!

Wohlgemerkt – man darf sich nicht an der Temperatur orientieren.

Fazit:
Heutzutage kann die eingebrachte Energie sehr genau über die Messerumdrehung in Abhängigkeit von Schüsselrunden/zeit überwacht bzw. standardisiert werden. Damit wird eine Störgröße bei der Nutzung der Kuttertechnologie für Brät ein für alle mal eliminiert – die Temperaturschwankungen im Produktionsalltag.

Aber 12 °C lassen sich nun einmal einfacher merken, zusätzlich haben wir es immer schon so gemacht und außerdem haben wir es alle einmal so gelernt.
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#4

Re: Temperaturführung bei der Kuttertechnologie

in Diskussionen 23.04.2009 20:09
von Dirk Buhr | 2 Beiträge | 2 Punkte


Also stelle ich fest das jeder der teures Geld in eine Stickstoffanlage investiert hat, irgendwie etwas verkehrt gemacht hat (zumindest wenn wir über Brühwurst reden).

Allerdings stellen sich mir doch noch ein paar Fragen.
Wie würde sich das Testergebnis darstellen wenn an Stelle von Phosphat z.B. Kartoffelstärke oder Citrat als KHM zum Einsatz kommt?
Kann die Verwendung von Milch als Schüttung in Verbindung mit hohen Kuttertemparaturen negative Auswirkungen haben?

Wie hoch ist der mikrobiologische Einfluss solch hoher Kuttertemperaturen (Keimzahlen, Haltbarkeit)?

Anmerken moechte ich zu obersten Artikel (Citrate als KHM) übrigens noch, das man mit Citraten in Verbindung mit Emulgatoren(nicht ökologisch) und umca 5% reduzierte Schüttung recht ansehliche Ergebnisse erziehlt werden können.
Aus kalkulatorischer sicht nicht gerade spannend aber in einer Umgebung in der Phosphat in Würsten sehr stark auf Ablehnung trifft wie hier in Norwegen schon eine Alternative.
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#5

Re: Temperaturführung bei der Kuttertechnologie

in Diskussionen 23.04.2009 21:14
von Thomas Eberle | 40 Beiträge | 21 Punkte
Es wird leider etwas dauern, bis ich Luft habe, ausführlich auf Ihre Fragen/Bemerkungen zu antworten.

Da aber diese Diskussion zu dieser Thematik schon seit langem fällig ist, werde ich ihren zurückgeschickten "Ball" gerne aufnehmen, und auch öffentlich abarbeiten. Dies wird aber wieder etwas größeres - und dafür brauche ich Luft.

Danke, daß Sie sich in diesem Form engagieren

wir hören voneinander

Gruß

TE
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#6

RE: Temperaturführung bei der Kuttertechnologie

in Diskussionen 29.04.2013 20:11
von Metzger Frank | 2 Beiträge | 1 Punkte

Erst mal Grüß Gott aus Forchheim,

als "mittelalter" Metzgermeister ohne Studium und Fortbildung interessiert mich dieses Thema sehr.
Ich gebe es zu - seit 1989 hatte ich keine wegweisende Schulung mehr und bin daher sehr auf die alte Lehrmeinung bei der Brühwurstproduktion eingeschossen.
Jetzt habe ich (bitte nicht lachen - vieleicht schmunzeln) - eine Mado Supra 35 ltr Kutter, stufenlos und WILL das Kuttern neu erlernen.
Vieleicht finde ich hier Antworten auf viele offene Fragen

mfg
Christian Frank
Metzgerei Frank
Hornschuchallee 29
91301 Forchheim
Info@Metzgerei-Frank.De

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